Anspruch Leitbildentwicklung
Ein Diversity-Leitbild bietet eine wichtige Grundlage für ein gemeinsames Verständnis und die weitere Arbeit in Richtung Diversitätsorientierung und Diskriminierungsschutz für einen freien Träger der KJH oder ein Jugendamt.
Das Leitbild wird gemeinsam mit allen Mitarbeitenden erarbeitet und beinhaltet die fachliche Beschäftigung mit der Perspektive Diversitätsbewusstsein und Diskriminierungsschutz und ihren Transfer auf die konkrete eigene Arbeitskultur, den gemeinsamen Arbeitskontext und seine Anforderungen.
Das Leitbild kann innerhalb und außerhalb der Organisation wirken. Es repräsentiert öffentlich und kollegial die Kooperative Identität des Jugendamtes oder des freien Trägers und bezieht sich darauf, wie der Träger oder das Jugendamt seine Aufgaben und Angebote versteht. Nach ‚außen‘ kann ein Diversity-Leitbild signalisieren, dass die Organisation sich der gesellschaftlichen Pluralität und der Tatsache, dass Diskriminierung alltäglich stattfindet, bewusst ist und für die gleichberechtigte Teilhabe aller ihrer Nutzer*innen Verantwortung übernimmt. Nach ‚innen‘ ist ein Diversity-Leitbild ein zentrales Instrument der Verständigung, der Selbstvergewisserung und der Reflexion im Team. Es kann auch dazu eingesetzt werden, die Zielbestimmung und Maßnahmenplanung auszurichten und die Organisationsentwickelung anzuleiten. (Mehr dazu in in Kapitel 12 des Praxishandbuches des Bildungsteams hier > Material im Dossier).
Anhand des gemeinsamen Diversity-Leitbildes kann der Austausch und die konkrete Veränderungs- und Entwicklungspraxis einen gemeinsamen Bezugspunkt finden, auf den sich jede*r jederzeit beziehen kann. Wird das eigene Diversity-Leitbild professionell genutzt, kann es dazu beitragen, die langfristige gemeinsamen Zusammenarbeit innerhalb der Organisation zu orientieren. Es spiegelt in diesem Sinne die kooperative Identität für die Mitarbeit in der Organisation wider: Im Diversity-Leitbild finden sich positiv formulierte Antworten auf Erfahrungen struktureller Ungerechtigkeit und institutioneller Diskriminierung* von Nutzer*innen und Beschäftigten. Dies ist vor allem deshalb sinnvoll, weil das Anti-Diskriminierungsgebot ein Strukturprinzip der Menschenrechte ist. Insofern ist jedes (ernstzunehmende) Diversity-Leitbild ein menschenrechtliches Commitment und enthält Informationen darüber, was im Falle von Diskriminierung getan wird, um die Rechte der Betroffenen zu schützen, zu achten und zu gewährleisten*.
Mögliche Fragen zur Entwicklung eines Leitbildes im Kontext der Organisationsentwicklung
Leitende Fragen zur Entwicklung und Umsetzung eines eigenen Leitbildes können im Rahmen einer Organisationsentwicklung durch die Hilfestellungen von Prozessbegleiter*innen mit den Teams oder Leitungspersonen vor Ort kollegial erarbeitet und gemeinsam formuliert werden: Je nach Kontext, Situation und Erfahrung der KJH-Einrichtung oder des Jugendamtes können die Fragen deshalb variieren. Im Rahmen von Fortbildungen und Praxisreflexionen können bezogen auf die jeweilige Einrichtungen und Ihre Adressat*innen Strategien entwickelt, Kenntnisse erweitert, Einsichten vertieft und Fragen (re-)formuliert werden. Hier folgen exemplarisch einige Beispiele, um die praktische gemeinsame Arbeit zu illustrieren:
Wie und mit welchen Mitteln wird Diversity bei uns genau umgesetzt und was verbinden wir damit?
Welche Verfahren, Routinen oder Handlungen in Organisation ermöglichen welche Diskriminierungserfahrungen und was haben/werden wir dagegen unternommen/unternehmen?
Welche Formate, Angebote oder Partizipationsformen gibt es/ soll es bei uns zum Thema Diversity geben?
Was bedeutet ein bewusster oder kritisch-reflexiver Diversity-Ansatz für uns und unsere Einrichtung oder unsere Behörde konkret und persönlich?
An wen können sich Mitarbeiter*innen und Nutzer*innen jeweils mit ihren Anliegen, Ideen und (Diskriminierungs-)Erfahrungen wenden?
Welche Abläufe, Arbeitsprozesse und Handlungsebenen sind für einen systematischen Diskriminierungssschutz bei uns vor Ort wie relevant?
Welche konkreten Schritte und welche Strategien vor Ort sind kurz-, mittel- oder langfristig unsere? Welche Prioritäten wollen wir/ haben wir gesetzt und warum?
Woran erkennen wir, das unsere Aktivitäten die Organisationsstrukturen tatsächlich verändern? Wie stellen wir sicher, dass unsere Maßnahmen bei den Adressat*innen ankommen?
Lesen Sie hier von den Erfahrungen und Vorgehensweisen in vier Jugendämtern in Berlin und Brandenburg
auf dem Weg zu einem gelebten ‚Leitbild‘ und wie es gelang, alle Mitarbeitenden zu beteiligen.
Praxisbeispiele: Leitbildentwicklung mit dem Amt für Familien und Soziales in Ostprignitz-Ruppin (Brandenburg), dem Jugendamt Pankow (Berlin), dem Jugendamt Märkisch-Oderland (Brandenburg) und dem Jugendamt Charlottenburg-Wilmersdorf (Berlin).
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Quellen- und Literaturhinweise
- Zur menschenrechtlichen Argumentation und dem idealistischen Gedanken, dass Menschenrechte als positiv formulierte Antworten auf (vergangene) Erfahrungen strukturellen Unrechtes (Bielefeld) verstanden werden können, vgl.: Bielefeldt, Heiner (2006). Menschenrechte als Antwort auf historische Unrechtserfahrungen: Zur Kritik des ideengeschichtlichen Entwicklungsschemas. Jahrbuch Menschenrechte_ 2007 (jg):135-142.
- weiterführend für eine vertiefende, kritische Analyse des Menschenrechtsdiskurs ist: Nikita Dhawan (Hg.), 2014: Decolonizing Enlightenment. Transnational Justice, Human Rights
and Democracy in a Postcolonial World. Opladen, Berlin, Toronto: Barbara Budrich. Eine Rezension zum Sammelband im SSOAR finden Sie hier: Open Acess
- weiterführend für eine vertiefende, kritische Analyse des Menschenrechtsdiskurs ist: Nikita Dhawan (Hg.), 2014: Decolonizing Enlightenment. Transnational Justice, Human Rights
- zum Verbot von Diskriminierung als Strukturprinzip der Menschenrechte vgl: Beate Rudolf ( 2017 ): Teilhabe als Menschenrecht – eine grundlegende Betrachtung. In: Elke Diehl (Hrsg.)
Teilhabe für alle ?! Lebensrealitäten zwischen Diskriminierung und Partizipation. Bundeszentrale für politische Bildung. Bonn, S. 31 — 43. Open Acess - Zur Einbettung eines Diversity-Leitbildes in den Prozess und zu den praktischen Erfahrungen von vier Jugendämtern damit vgl. in unserem Dossier mit Projektmaterialien: Bildungsteam Berlin-Brandenburg e.V. (Hg.) Salka Wetzig (Autorin) (2020): Erfahrungen diversitätsorientierter Interkultureller Öffnung in vier Jugendämtern. Wege zur diskriminierungssensiblen Organisation. Berlin, S. 34f., 40f., 43f. 48f. hier auf dversity-jugendhilfe.de Open Acess
- Partizipative Methoden zur Leitbildentwickelung finden Sie hier, u.a. auf S. 98ff.: Bildungsteam Berlin-Brandenburg e.V. (Hg.) Elisa Schmidt, Salka Wetzig, Iven Saadi (Autor*innen) (2018): Diversitätsorientierte Interkulturelle Öffnung in Jugendämtern. Handlungsimpulse für die Organisationsentwickelung. verfügbar hier auf diversity-jugendhilfe.de Open Acess
- Zu einem reflexiv-kritischen Diversity-Ansatz vgl. Paul Mecheril und Andrea J. Vorrink (2012): Diversity und Soziale Arbeit. Umriss eines kritisch-reflexiven Ansatzes. In: Archiv für Wissenschaft und Praxis der Sozialen Arbeit. Themenheft: Diversity Management und Soziale Arbeit. S. 92-101.
diversity-jugendhilfe.de ist Bestandteil des Modellprojektes „Diversitätsorientierte Interkulturelle Öffnung der Jugendhilfe – Diskriminierungsschutz stärken und Vernetzung fördern“ in Berlin und Brandenburg (Oktober 2020 – September 2022) des Bildungsteams Berlin-Brandenburg e.V.